Harald Krassnitzer: „Friedhöfe sind große Geschichtenerzähler“ (2025)

Servus Herr Krassnitzer, lassen Sie uns über das Leben nach dem Tod reden. Denn in Ihrem neuen Film „Engel mit beschränkter Haftung“ spielen Sie einen Schutzengel. Gehören Sie zu denen, die über den Tod sinnieren, oder schieben Sie das Thema lieber vor sich her?

Harald Krassnitzer (spricht Dialekt): Naa, ich gehöre zu denen, die sinnieren. Denn erstens komme ich altersmäßig langsam in diesen Zyklus, und zweitens ist es so, dass in den letzten Jahren häufiger Nachrichten über den Tod von mir bekannten Menschen eintreffen. Und ich habeauch schon ein paar in ihren letzten Stunden begleitet. Im Übrigen glaube ich, dass es im Leben zwei Ereignisse gibt, die wirklich interessant sind: Das ist die Geburt und der Tod. Über die Geburt, da können wir vorher nicht viel nachdenken. Was nach dem Tod geschieht, darüber spekulieren wir und bauen uns Bilder dazu. Aber es gibt niemanden, der einem erzählen könnte, was passiert.

Was meinen Sie? Hölle, Fegefeuer, Paradies? Werden wir wiedergeboren? Oder sagen Sie: alles aus und vorbei?

Krassnitzer: Ich glaube an energetische Prozesse im Sinne der Quantenphysik. Ich meine so eine Art Kompostiervorgang. Dass man sozusagen als etwas vergeht und daraus neue Energien entstehen oder die verbliebene Energie sich etwas verwandelt und transformiert – allerdings nicht im Sinne einer wie auch immer gearteten Person. Ich hoffe zumindest, nicht einem alten weißen Mann zu begegnen, der mir irgendetwas vorhält. Denn dann hätte ich schlechte Karten (er lacht). Kurz gesagt: Mit Sicherheit wird nichts passieren. Wir lösen uns auf – ganz einfach.

In Ihrem neuen Film ist das nicht der Fall. Da werden Sie nach Ihrem Ableben Schutzengel – und zwar ein erst einmal glückloser. Was hat Sie für diese Rolle qualifiziert?

Krassnitzer: Was bleibt mir bei meiner Biografie übrig, als einen Erfolglosen zu spielen? Nein, Spaß! Ich fand das Drehbuch von Uli Brée sehr interessant, in dem eine gelungene Spiegelung stattfindet. Da wird eine Parallelwelt angenommen, die mit den Ingredienzien des wirklichen Lebens versehen ist. Zum Beispiel, dass Engel auch unter einem Burn-Out-Syndrom leiden können. Und nachdem wir in einer Welt leben, in der es gerade drunter und drüber geht, und wir oft überfordert sind, ist das ein interessanter Aspekt. Viele sagen ja, sie wollen und können nicht mehr. Dass einem das auch als Engel passieren kann, weil man jemand schützen muss, der es vielleicht nicht wert ist, wird in dieser Geschichte vielschichtig auf eine wunderbare Art erzählt.

Wissen Sie, wie Uli Brée auf diese Idee kam?Krassnitzer: Ich war bereits vor ein paar Jahren mit Uli darüber im Gespräch. Wir diskutierten eine Geschichte über Schutzengel – und was passiert, wenn so einer Burn Out hat, weil er keine Verbrecher mehr beschützen will. Diese Idee hat der Uli Brée bestens umgesetzt.

Für einen in Deutschland vor allem als Tatort-Kommissar bekannten Schauspieler ist das eine ganz andere Rolle als gewohnt, nicht zuletzt wegen der zotteligen Perücke, oder? Hatten Sie Spaß an diesem tragisch-komischen Stoff?
Krassnitzer: Ja, sehr. Denn ich habe zuletzt nicht so viele Komödien gespielt. Und es hat richtig gutgetan, mit diesem Team zu arbeiten. Denn es ist zwar auch Arbeit, kostet Energie und man braucht Fantasie und Präzision, also alles, was beim Tatort auch nötig ist. Aber man geht am Abend leichteren Herzens nach Hause und hat eine Art Seelenmassage mitgenommen. Denn wenn man etwas macht, was alle zum Lachen bringt, dann tut das gut.

Glauben Sie überhaupt an Schutzengel oder ähnliche Wesen? Haben Sie gar einen im Auto hängen?

Krassnitzer: Nein, ich glaube nicht daran. Wenn man glaubt, man habe in einer brenzligen Situation einen Schutzengel gehabt, dann ist das nur eine Hilfskonstruktion, um eine Erklärung für schier Unerklärbares zu finden. Geschützt haben einen aber eigene Reflexe oder die der anderen in einer solchen Situation Beteiligten, die Unheil vermieden haben. Weil das aber schwer nachzuvollziehen ist, bemühen wir das Narrativ des Schutzengels, um uns nicht tiefer damit auseinandersetzen zu müssen.

Viele Menschen schätzen schon zu Lebzeiten die Ruhe und Stille der Friedhöfe, andere gruselt es dort eher. Wie ist das bei Ihnen?Krassnitzer: Ich mag sie auch gerne. Friedhöfe sind große Geschichtenerzähler. Wenn man über den Wiener Zentralfriedhof geht, kann man das so machen wie viele und sich die Gräber von Prominenten von Beethoven bis Falco anschauen. Man kann aber auch zwischen den Reihen flanieren, rübergehen zum jüdischen Friedhof, wo die Zahlen plötzlich Bruchlinien aufweisen. Jede Zahl, jeder Name und jede Bemerkung auf den Grabsteinen erzählt da Geschichten.Wenn man über den Zentralfriedhof schlendert, ist das auch ein Naturerlebnis, denn an manchen Stellen laufen einem auch Füchse oder Dachse über den Weg. Da kommt man ins Staunen. Ich verbringe auch mal einen Tag an einem Grabmal, da lässt es sich gut nachdenken – und nicht nur über den Tod. Denn Gräber können auch Kraft und Leben vermitteln. Da kann man Dynastien nachspüren und plötzlich hat man eine Familiensaga vor der Nase. Wer das Kontemplative sucht, findet es jedenfalls am Zentralfriedhof. Gerade im Sommer, wenn die Stadt in der Hitze glüht, fahre ich gerne zum Friedhof, weil es da schön kühl ist.

Im Film konnte ihre Filmpartnerin bei Ihrer eigenen Beerdigung zuschauen. Würden Sie das auch gerne tun? Krassnitzer: Nein, das wäre zu traurig. Oder ich würde mich fürchterlich ärgern, weil es nicht so ist, wie ich es gewollt hätte. Insofern bin ich froh, dass ich da nicht mehr dabei bin (er lacht).

Zur Person: Harald Krassnitzer ist vor allem durch die Rolle des„Tatort“-Ermittlers Moritz Eisner bekannt. Sein neuer Film „Engel mit beschränkter Haftung“ wird am Mittwoch, 4. Dezember, um 20:15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.

Harald Krassnitzer: „Friedhöfe sind große Geschichtenerzähler“ (2025)
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